Die Aartalbahn ist eine anspruchsvolle Strecke – vor allem mit Blick auf die Steigungen. Mit einer maximalen Neigung von 33,3‰ ist sie auch eine der steilsten Strecken Deutschlands. Auch mit den Kurvenradien (minimaler Halbmesser: 200 Meter) ist die Aartalbahn auch eher im engeren Bereich unterwegs – mit direkten Auswirkungen auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit.1Aus dem Kurvenradius lässt sich gemeinsam mit der Querneigung der Gleise (Überhöhung) und der maximal zulässigen Querbeschleunigung die zulässige Höchstgeschwindigkeit herleiten.

Das hier vorgestellte Streckenprofil erlaubt (unter anderem) einen Blick auf die konkreten Steigungen und Radien der Strecke – und wo diese auftreten. Der Text dient der grundlegenden Information über die (tw. einstigen) Charakteristika der Aartalbahnstrecke – um das Fundament für den ein oder anderen, kommenden Artikel zu legen. Die rot markierten Textpassagen sind spekulativ – wenn du hier mehr weißt, gern in die Kommentare damit!

Aus: Langenschwalbacher Bahn, Klaus Kopp 2009. Genaues Jahr der Darstellung Unbekannt.

Bestandteile der Darstellung

Das Streckenprofil stellt eine Vielzahl Informationen dar:

  • Das Höhenprofil, Steigungen, Tunnel und Brücken (grün).
  • Länge und Lage vorhandener Ladestraßen (gelb)
  • Maßgebliche Neigungen (rot)
  • Kurvenradien (hellblau)
  • Gleislagepläne und Gleislängen der Betriebsstellen (dunkelblau)
  • Lage und Ausstattung der Betriebsstellen (lila)
Farbliche Markierungen wurden im Nachhinein hinzugefügt.

Höhenprofil

Maßstab der (Original-)Zeichnung. Ein Zentimeter Plan entsprechen demnach 250.000 Zentimeter (also 2,5 Kilometer). Der Originalplan müsste bei einer Streckenlänge von knapp 54 Kilometern rund 22 Zentimeter breit sein.
Brücke und deren Name. Im Plan sind insgesamt sieben Brücken verzeichnet – es fehlen also diverse. Folglich sind vermutlich nur bedeutende Brücken verzeichnet.
Tunnel, mit Namen und Länge. Insgesamt sind vier Tunnel verzeichnet – was, analog zu den Brücken, den Schluss zulässt, dass nur ausgewählte Tunnel verzeichnet sind.
Höhenmeter (in Meter über Normalnull) der Betriebsstelle.
Haltepunkt/Haltestelle/Bahnhof der Aartalbahn.
Steigung auf den jeweiligen Streckenabschnitten.
Die Steigungen sind als Gradiente im Format „1:x“ angegeben. Diese lassen sich in die heute gebräuchlichen Promille-Angaben umrechnen:

1:30 = 1/30 = 0,033333 = 3,3% = 33‰.

Ebene Streckenabschnitte werden mit 1:∞ (≈ 0‰) gekennzeichnet.
Angabe der größten, maßgeblichen Steigung. Befindet sich wie im Fall der Aartalbahn ein Scheitelpunkt auf der Strecke, erfolgt in Abhängigkeit zur Fahrtrichtung.

Wieso in Fahrtrichtung von Limburg nach Wiesbaden die größte Neigung mit 1:68 angegeben wird, obwohl sich zwischen Wehen und der Eisernen Hand noch ein steilerer Abschnitt (1:30) befindet, erschließt sich mir nicht. Eventuell ist diese nicht maßgeblich, weil zu kurz
Markierung des Streckenabschnittes mit der größten Steigung.
Angaben zum (sichtbaren?) Horizont. Worauf genau sich die Zahlen aber beziehen, erschließt sich mir nicht.

Ladestraßen

Seitenrampe mit 14 Metern Länge. Die Anordnung der Zahl und des Rampen-Symbols gibt (vermutlich) Aufschluss, ob die Rampe (in Abhängigkeit der Fahrtrichtung) links oder rechts liegt. Allerdings ist dann die Darstellung von Bahnhöfen mit beidseitigen Ladestraßen nicht eindeutig.
Zwei Seitenrampen (60 und 61 Meter lang.)
Kopframpe (hier: zwei) mit Markierung der Fahrtrichtung, aus der diese erreichbar ist. Kopframpen spielen vor allem bei der Verladung von (Straßen-)Fahrzeugen auf Güterwagen eine Rolle.

Neigungen

Angabe der maßgebenden Neigung der jeweiligen Streckenabschnitte in Abhängigkeit der Fahrtrichtung. Die maßgebende Neigung ist die Grundlage zur Ermittlung der mindestens notwendigen Bremskräfte (Mindestbremshundertstel) und hier demnach nur für Fahrtrichtung talwärts angegeben.

Die maßgebliche Neigung ist definiert als eine „zwischen zwei Punkten angenommenen Verbindungslinie, die für diesen Abschnitt den größten Höhenunterschied ergibt.“ Welche Bezugspunkte zugrunde liegen und in welchem Abstand diese sich befinden, hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab. Insofern kann die maßgebliche Neigung (Gefälle) mit Fokus auf die Bremskraft von der Maßgeblichen Neigung (Steigung) mit Blick auf die Anfahrkraft abweichen.

Kurvenradien

Der Halbmesser (Fachjargon für Radius) der jeweiligen Kurven. Je nach Fahrtrichtung sind die Kurven jeweils als Links- oder Rechtskurve angegeben mit dem jeweiligen Kurvenradius.

Analog zur Steigung wird kleinste Bogenhalbmesser separat angegeben (hier: 200 Meter) und per Pfeil markiert. Der Kurvenradius hat maßgebliche Auswirkungen auf die Höchstgeschwindigkeit und die verwendbaren Fahrzeuge.

Gleislagepläne

Für die Unterwegsbahnhöfe sind ebenfalls Gleislagepläne angegeben. (Experten müssten anhand des Zustands der Bahnhöfe den Zeitraum, aus dem diese Infografik insgesamt stammt, eingrenzen können.)

Hier muss ich aber am stärksten spekulieren. Die schwarzen Vierecke dürften die Standorte von Bahnhofshäuschen, Stellwerken und Wärterhäuschen darstellen. Die neben der dicken Linie in der Mitte (dem Hauptgleis) dicker gezeichneten, einzelnen Gleise müssten weitere Bahnsteiggleise sein. Die angegebenen Zahlen sind folglich die Nutzlängen dieser Gleise – eine relevante Angabe, wenn sich Züge kreuzen sollen. Allerdings fehlen diese Zahlen bei einigen Bahnhöfen wie Zollhaus und Hahnstätten.

Was genau die „Anschl(uss)“-Markierungen kennzeichnen, bleibt offen.

Betriebsstellen

Die Kennzeichnung der Ausstattung und betrieblichen Bedeutung der Unterwegs-Betriebsstellen läuft im Wesentlichen über Abkürzungen.

Wiesbaden-Dotzheim ohne weitere Kennzeichnungen weist auf den „Standardfall“ hin. Heißt:
Dotzheim ist betrieblich ein Bahnhof und ist durch bahneigenes Personal besetzt.
Ein betrieblicher Bahnhof ermöglicht, dass Züge beginnen, enden, kreuzen, wenden und überholen können. Dazu braucht er mindestens eine Weiche.
Der Bahnhof Hohenstein ist unbesetzt (u).
Der Bahnhof Michelbach ist mit einem Bahnagenten (Ag) besetzt. Diese übernehmen als selbstständige Gewerbetreibende bei niedrigem Aufkommen bspw. den Fahrkartenverkauf.
Laufenselden ist ein unbesetzter Haltepunkt (Hp). Im Gegensatz zu Bahnhöfen besitzen Haltepunkte keine Weiche und ermöglichen damit keine Überholungen und Zugkreuzungen. Beginnen, Enden und Wenden wurde an Haltepunkten erst mit der Erfindung der Steuerwagen möglich (falls nicht beidseitig Lokomotiven am Zug hängen).
Rückershausen ist eine Haltestelle (Hst). Haltestellen sind betriebliche Haltepunkte, die aber mit Abzweigstellen verbunden sind. In Abzweigstellen zweigt oder mündet eine weitere Eisenbahnstrecke ab/ein.
Insofern verfügen Abzweigstellen naturgemäß über mindestens eine Weiche – da diese aber auf der freien Strecke (also zwischen zwei Haltepunkten) liegt und nicht innerhalb eines Haltepunkts, diese im Regelbetrieb nicht für Zugkreuzungen, Überholungen (…) genutzt werden.
Bedeutung der Zahl unbekannt.
Augenscheinlich ist es weder die Nummer des „Standardgleises“, noch die Anzahl an erreichbaren Gleisen.
An einigen Betriebsstellen existieren Zwangshalte für eine oder beide Fahrtrichtungen.
Der Grund für diese Zwangshalte ist mir nicht bekannt. Da diese aber auch an Haltepunkten vorkommen, liegt der Grund nicht in Zugkreuzungen zu suchen.
Unklar – eventuell abgekürzte Kennzeichnung von Zwangshalten (mit Angabe der Fahrtrichtungen).
Standort eines Bahn-Gerätewagens für den Schadens-/Entgleisungfall. Für die Aartalbahnstrecke stand dieser in Limburg.
Bis wann dieser dort stationiert war, ist mir nicht bekannt – Fotos legen mindestens 1981 nahe.

Kategorien: Aartalbahn

mathias

Aufgewachsen in Berlin, seit über einem Jahrzehnt Wahl-Wiesbadener. Eigentlich Nordost, im Herzen aber Westend. Regelmäßiger Radler und Carsharing-Nutzer, (zu häufig) auch E-Scooter. Ehem. Verkehrsplaner (SGV). Faible für Daten, Karten und Grafiken.

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Patrick

Interessanter Artikel, gut aufbereitet!
Die Zwangshalte müssten im Zusammenhang mit den unmittelbar hinter den Bahnhöfen/Haltepunkten liegenden Bahnübergängen stehen, die nicht mit Schrankenwärtern (wie Wi-Dotzheim oder Hahn-Wehen Richtung Eiserne Hand) besetzt waren. Hier wurden die Lichtzeichen/Schranken erst nach Halt des Zuges (häufig durch das Zugpersonal) manuell aktiviert. Bspw. am Chausseehaus Richtung Eiserne Hand, in Bleidenstadt Richtung Hahn-Wehen oder Bad Schwalbach Richtung Hohenstein.
Ausnahme Eiserne Hand. Hier heißt es in Joachim Seyfahrts Buch „Die Aartalbahn“ auf Seite 100: Auf der „Eisernen Hand“ meldet [der Zugführer] dann dem Bahnhof in Hahn-Wehen per Streckentelefon, dass der Zug den Berg geschafft hat.“

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