Der Erhalt bzw. die Reaktivierung der Aartalbahn war in der Vergangenheit Gegenstand einer Vielzahl an Untersuchungen. Dahinter stehen unterschiedlichste Ziele, Betriebskonzepte und Detailtiefen.
Die Rahmenbedingungen entwickeln sich weiter und so dürfte keine der Untersuchungen 1:1 auf das Jahr 2021 übertragen werden können. Dennoch finden sich wertvolle Erkenntnisse darin – Fahrplankonzepte, Baupläne neuer Haltestellen (beispielsweise Seitzenhahn) oder erkannte Stolpersteine. Unterm Strich also ein wertvoller Wissensfundus, aus dem für künftige Reaktivierungsanläufe gelernt werden kann.
Die Inhalte der Studien werden, soweit zeitlich möglich und vorliegend, hier sukzessive ergänzt. Gern könnt ihr euch daran auch beteiligen!1Danke an Klaus Bolte für den umfangreichen Aufschlag! Ein Änderungsprotokoll findet ihr daher am Anfang des Artikels.
- Änderungsprotokoll
- Übersicht der Untersuchungen
- Blick in die verschiedenen Untersuchungen
- Dez 2003: NKU zur Reaktivierung Abschlussbericht Phase 1
- Rahmenbedingungen der Untersuchung
- Takt- und Linienschema
- Fahrzeuge und Infrastruktur
- Kosten
- Verkehrliche Auswirkungen
- April 2005: NKU Aartalbahn
- Takt- und Linienschema
- Planfall 3a/3b
- Planfall 5
- Fahrzeuge & Infrastruktur
- Kosten
- Verkehrliche Auswirkungen
- Vergleich zur Voruntersuchung
Wenn du Fehler entdeckst oder Ergänzungen hast – gern direkt hier in die Kommentare damit. Oder melde dich doch per Mail!
Änderungsprotokoll
- 18. Januar: Ergänzung NKU 2005
- 14. Januar 2021: Erstmalige Erstellung.
Übersicht der Untersuchungen
Datum | Titel | Auftraggeber/ Auftragnehmer | Inhalt |
---|---|---|---|
Sommer 1972 | Studie zur Verflechtung Wiesbaden – oberes Aartal | Hessisches Ministerium für Wirtschaft und Technik/ Dorsch Consult | Studie zur Förderung des Individualverkehrs und Verbesserung des Eisenbahnverkehrs |
Sommer 1982 | Untersuchung der Möglichkeiten zur Erhaltung der Aartalbahn | Studienarbeit auf Anregung des RTK/ FH Wiesbaden-Idstein | Semesterarbeit |
Mai 1982 | Aartalbahn als leistungsfähige Vorortbahn – ein Weißbuch | Interessensgemeinschaft S-Bahn Wiesbaden – Bad Schwalbach | Bestandsaufnahme und Analyse |
Februar 1989 | Gutachterliche Stellungnahme zu Vorschlägen für eine Reaktivierung des Schienenverkehrs | ESWE Verkehr/ Hamburg Consult | Gutachterliche Stellungnahme |
1992 (?) | Wiederaufnahme des Schienenverkehrs auf der Aartalbahn – Teil 1: Güterverkehr | ESWE/ DEConsult Frankfurt | Ermittlung der Bau- und laufenden Unterhaltungskosten |
Januar 1993 | Studie für ein modernes Stadtbahnsystem für die Stadt Wiesbaden und das Umland | Stadtverordnetenfraktion Bü90/Grüne/ Planungsgruppe Nord (PGN) Kassel | Vereinfachte Studie |
November 1994 | Reaktivierung der Aartalbahn | Aartalbahn GmbH/rmv/ Transcare GmbH Wiesbaden | Vereinfachte Studie mit Kosten für Infrastruktur und Fahrzeuge |
Sommer 1994 | Machbarkeitsstudie Stadtbahn Wiesbaden | ESWE Verkehr/ Prof. Dr. Kirchhoff TU München, Verkehrs-Consult Karlsruhe GmbH | Vereinfachte Studie mit Kosten für Infrastruktur und Fahrzeuge |
September 1997 | Ausbaustudie einer Stadtbahn in Wiesbaden – Schlussbericht | ESWE Verkehr/ Rail Consult Köln | Ausbaustudie mit verkehrstechnischer Planung der festgelegten Variante |
Oktober 1997 | Untersuchung für die Aartalbahn (Machbarkeitsstudie, NKU und bautechnische Untersuchung) | RMV, ESWE, RTV/ DEConsult Frankfurt und PTV Köln | Tischvorlage zur Vorstellung der Ergebnisse (Realisierungsstufe II) |
November 1997 | Tischvorlage zur Vorstellung der Ergebnisse (Realisierungsstufe II + III) | ||
Januar 1998 | Realisierungsstufe II (Hybridstadtbahn Wiesbaden – Bad Schwalbach) | ||
Januar 1998 | Realisierungsstufe III (Bad Schwalbach – Diez) | ||
Februar 1998 | Realisierungsstufe I (Bad Schwalbach – Dotzheim) | ||
Februar 1998 | Untersuchung für eine Stadtbahnwerkstatt | ||
März 1998 | Vorlage zur Pressekonferenz | ||
März 1998 | Schlussbericht | ||
2000 | Potentialanalyse und technische Bewertung der Infrastruktur | IFB | |
2001 | Stadtbahn-Vorplanung. Reaktivierung der Aartalbahn/Einführung der Stadtbahn Wiesbaden | / DE Consult Frankfurt, KVV Bau- und Verkehrsconsulting Kassel GmbH | Erläuterungsbericht zur Vorplanung. Erste Betriebsstufe Bad Schwalbach – Wiesbaden Hasengartenstraße |
2002 | Streckenzustandsbericht Wiesbaden Ost-Wiesbaden West und Wiesbaden Hbf – Dotzheim-Kohlheck | /DE Consult Frankfurt | |
Dez 2002 | Streckenzustandsbericht Kohlheck-Bad Schwalbach – Kettenbach – Landesgrenze | /DE Consult Frankfurt | |
Dezember 2003 | Nutzen-Kosten-Untersuchung zur Reaktivierung Aartalbahn (Limburg-) Diez – Wiesbaden | / Köhler und Taubmann GmbH Frankfurt | Abschlussbericht (Phase 1) |
22. April 2005 | Nutzen-Kosten-Untersuchung Aartalbahn | RMV, Hess. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau/ DEConsult Karlsruhe, Köhler und Taubmann GmbH Frankfurt | NKU |
(…) | |||
2019 | Nutzen-Kosten-Untersuchung CityBahn | ||
Blick in die verschiedenen Untersuchungen
Dez 2003: NKU zur Reaktivierung Abschlussbericht Phase 1
Nach Beendigung des Stadtbahnkonzeptes in Folge der Kommunalwahl 2001, die im Wiesbadener Rathaus zu einer neuen Schwarz-Gelben Kooperation führte, kochten die Diskussionen um eine normale Reaktivierung der Aartalbahn auf voller Länge wieder hoch.
Im August 2002 beauftragte der RMV die Frankfurter Firma Köhler und Taubmann GmbH für eine zweistufige NKU zur Reaktivierung zu beauftragen. Falls die erste, überschlägige Phase einen NKU-Faktor über 1 ergibt (und damit die Förderfähigkeit ermöglicht), sollte in einer zweiten Phase eine umfangreichere, detailliertere Nutzen-Kosten-Untersuchung erfolgen.
Die Erstuntersuchung, veröffentlicht im Dezember 2002, ergab einen positiven Nutzen-Kosten-Indikator von deutlich über 1 aber kleiner als 1,52eine genauere Zahl ist der Voruntersuchung nicht zu entnehmen. Auch im Falle einer pauschalen Kostensteigerung von 10% bliebe dieser über 1,0. In der Folge entstand in der zweiten Stufe eine umfangreichere Nutzen-Kosten-Untersuchung, veröffentlicht 2005.
Rahmenbedingungen der Untersuchung
Wie jede NKU vergleicht auch diese den Mitfall mit einem Ohnefall. Den Ohnefall bildet eine Prognose „Horizont 2010„, in der gegenüber dem (damaligen) Ist-Zustand bereits einige Veränderungen berücksichtigt sind (beispielsweise Taktveränderungen in S- und Regionalverkehr und eine bessere Vertaktung der Buslinien im RTK sowie einzelne, bereits beschlossene Änderungen im Wiesbadener Busnetz).
Takt- und Linienschema
Der Mitfall der reaktivierten Aartalbahn umfasste in der Prüfung:
- Zwei Linien auf der Aartalbahn verkehrende Linien, Nutzung des Gleises 11 des Wiesbadener Hbf.
- Linie A verkehrt im 60-Minuten-Takt von Limburg über Diez nach Wiesbaden Hauptbahnhof (Mo-Fr, 5-23 Uhr)
- Linie B, ebenfalls im 60-Minuten-Takt von Bad Schwalbach über Wiesbaden Ost (ohne Wiesbaden Hbf) nach Mainz Hbf (Mo-Fr, 6-19 Uhr)
- Durch die Überlagerung ergibt sich zwischen Bad Schwalbach und Landesdenkmal ein 30-Minuten-Takt.
- In den Tagesrandlagen (ab 19 Uhr) eine alternierende Bedienung von Wiesbaden Hauptbahnhof und Mainz Hauptbahnhof.
- Samstags: 60 Minuten-Takt von Limburg, wechselnd nach Mainz Hbf und Wiesbaden Hbf (6-24 Uhr).
- Sonntag: 60 Minuten-Takt analog Samstag, aber 7-23 Uhr.
Fahrzeuge und Infrastruktur
Aufgrund der fehlenden Elektrifizierung kämen nur Dieseltriebwagen infrage. Seitens des Gutachters wurden wegen der größeren Kapazität Triebwagen vom Typ Stadler GTW 2/6 bevorzugt.
In Summe veranschlagen die Gutachter 4 Züge zu je 2 GTW-Triebwagen. (Zwei Züge für die Strecke Limburg-Wiesbaden, ein Zug Bad Schwalbach-Mainz, ein Zug Reserve).
Kosten
- Die Investitionskosten pro Fahrzeug (GTW) beliefen sich auf 1,6 Millionen Euro, die Gesamtfahrzeugkosten folglich 16 Millionen Euro (ohne Reserve).
- Die jährlichen ÖV-Betriebskosten für die geschätzten 955.000 Zugkilometer pro Jahr wurden auf +3,5 Millionen Euro geschätzt (davon 25% RLP, 32% Wiesbaden, 43% RTK).
- Die Infrastrukturkosten der Reaktivierung wurden auf 41,6 Millionen Euro geschätzt, davon knapp 60% auf Hessischer Seite. Größter Einzelposten hier der Oberbau sowie die Überarbeitung von 42 der 72 Bahnübergänge. 12 Bahnübergänge würden ersatzlos gestrichen. Die Infrastrukturkosten im Bereich der Bahnhöfe umfassen eine Minimalausstattung, also beispielsweise keine P+R-Maßnahmen.
Durch die fehlenden Angaben weiterer, für den NKU-Indikator relevanten Größen (Saldo der Abgas- und Lärmemissionen, der Unfallschäden, Reisezeiten).
Verkehrliche Auswirkungen
Durch Reaktivierung der Aartalbahn wurde eine Erhöhung des Modal Split i.H.v. +0,5% (auf 11,4%) gegenüber des Ohnefalls prognostiziert, was ein absolutes Plus von 1.350 Fahrten im ÖPNV pro Tag ergibt.
Der Großteil der prognostizierten Nachfrage ist mit 40% der Fahrten auf das Stadtgebiet Wiesbaden ausgerichtet, 32% auf die drei Zentren Taunusstein, Limburg/Diez/Hahnstätten und Hohenstein/Aarbergen.
Durch Fahrzeuge und Taktung ergibt sich eine Kapazität von 896 Personen pro Stunde und Richtung, mit prognostizierten 630 Personen pro Stunde in den Spitzenzeiten ergibt sich eine Spitzenauslastung von 65%.
April 2005: NKU Aartalbahn
Da die erste Voruntersuchung, veröffentlicht Ende 2003 (siehe oben), auf einen positiven NKU-Faktor der Reaktivierung hinwies, beauftragten RMV und Co. eine detailliertere Nutzen-Kosten-Untersuchung – deren Ergebnisse im April 2005 veröffentlicht wurden.
Neben der schon involvierten, Frankfurter VKT GmbH stieß die Karlsruher Deutsche Eisenbahn-Consulting dazu (DE-Consult)3Die DE-Consult, gegründet 1966 als Joint-Venture der Bundesbahn und der Deutschen Bank, wurde 2003 der DB Projektbau zugeschlagen und ging 2007 in DB International GmbH auf.. Aus 30 Seiten wurden (mehr als) 117, die Untersuchungen detaillierter.
Mit der Untersuchung der Details wurde das Ergebnis allerdings ernüchternder: statt eines ursprünglich geschätzten Faktors „über 1,0, aber unter 1,5“ wurden in mehreren Betriebsmodellen („Mit-Fälle“) Werte von 0,61 (Mitfall 5), 0,17 (Mitfall 3a) oder gar -0,22 (Mitfall 3b). Werte unter 1 bedeuten, dass der Gesamtvolkswirtschaftliche Nutzen kleiner ist als die Kosten. Werte unter Null weisen darauf hin, dass selbst mit Infrastrukturkosten von 0 EUR die Kosten den Nutzen übersteigen – sich also die reinen ÖPNV-Betriebskosten erhöhen, ohne adäquaten Nutzen zu erzeugen.
Genauer gesagt: Durch die Reaktivierung der Aartalbahn sinkt der Nutzen des ÖPNV gegenüber dem Ist. Denn, so die Prognose: zwischen Wiesbaden und Taunusstein käme es mit Reaktivierung zu einer Verlagerung vom ÖPNV in den MIV – also zu weniger ÖPNV-Nutzung. Ursächlich dafür sind auch die Anpassungen im Busnetz.
Zunächst leuchtet es ein, dass mit Reaktivierung der Aartalbahn auch das Busnetz angepasst und damit die Überland-Busverbindungen (Linien 5425 und 5474) von Wiesbaden gen Taunusstein ausgedünnt werden. Parallelfahrten von Bus und Bahn sind schließlich wenig kosteneffizient. Für die Wiesbadener Innenstadt – und da liegt das Ziel vieler Pendler – hat das aber direkte Auswirkungen: Die Taktung der Busse wird schlechter. Gleichzeitig bietet die Aartalbahn aber wegen des zusätzlich notwendigen Umstieges (ohne Fahrtzeitvorteil gegenüber dem Direktbus) keine Vorteile. So würde, der Prognose folgend, beispielsweise zwischen Dürerplatz und Hahn oder zwischen Luisenplatz und Wehen ein Viertel der Busse wegfallen, ohne dass die reaktivierte ATB auf dieser Relation einen Vorteil bietet.
Aus dieser Erkenntnis wuchs in Folge der Untersuchung (abermals) die Idee, den Zug stattdessen direkt durch die Stadt fahren zu lassen – damit entfällt die Notwendigkeit eines Umstiegs; gleichzeitig ist die Fahrt mit der Bahn aber komfortabler, zuverlässiger und leistungsfähiger als der Bus. Der zweite Stadtbahnanlauf war geboren.
Aber von vorn.
Zunächst sollte eine Grobabschätzung erfolgen, in Anlehnung an das standardisierte Bewertungsverfahren (Phase 1). Erst wenn diese Studie zu dem Ergebnis käme, dass bei einem standardisierten Bewertungsverfahren ein NKU-Faktor von über 1 zu erwarten sei,
aus: NKU „Reaktivierung zur Aartalbahn“, 2003
sollte der nächste Schritt erfolgen. Dieser sah vor, dass die Aufgabenträger eine Finanzierungszusage für die bei einer Realisierung fälligen anteiligen Infrastruktur- und Betriebskosten zu geben hätten. Erst wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt wären, würde die NKU nach dem standardisierten Bewertungsverfahren (Phase II) in Auftrag
gegeben.
Im Entwurf zum Endbericht zur Phase I wurde von den Gutachtern des Ingenieurbüros VKT ein postivier [sic!] NKU-Faktor prognostiziert. Der Lenkungsausschuss nahm allerdings den Endbericht zunächst nicht ab, da es sich zeigte, dass die Eingangsgrößen auf der Nachfrageseite Unsicherheiten aufwiesen. Auf der Investitionsseite hat der Lenkungskreis festgestellt, dass der Ansatz auf der Basis von standardisierten Kostensätzen noch keine ausreichend sichere Entscheidungsgrundlage ergeben würde.
Es wurde daher eine Studie beauftragt, bei der die Kosten weiter spezifiziert und das Betriebsprogramm Oberprüft werden sollte. Die Ergebnisse dieser Studie sind im vorliegenden Bericht zusammengefasst.
Takt- und Linienschema
Die NKU untersuchte drei Linien-/Taktschemata (Angebotsmodelle) – davon zwei im Detail und einen dritten überschlägig. Alle drei Fälle einen zwei neue Haltepunkte in Wiesbaden: Wiesbaden-Klarenthal, etwa in Höhe des Spielplatzes am Ende der Goerdelerstraße und Wiesbaden-Schierstein (als Ersatz für Waldstaße). (Und weitere im RTK – z.B. in Seitzenhahn).
Planfall 3a/3b
Die Planfälle 3a und b entsprechen im Wesentlichen denen der Voruntersuchung. Ein stündlicher Zug zwischen Limburg und Wiesbaden. Verstärkt wird dieser durch einen weiteren, stündlichen Zug, der von Bad Schwalbach direkt nach Mainz Hbf (3a) oder mit Kopfmachen in Wiesbaden Hbf (3b) fährt. So ergibt sich zwischen Bad Schwalbach und Stadtgebiet Wiesbaden ein 30-Minuten-Takt.
Im Vergleich mit den (damaligen) ÖPNV-Alternativen ergibt sich aber nicht auf jeder Relation ein Fahrtzeit-Vorteil. Von Limburg nach Wiesbaden ist die Aartalbahn mit 89 Minuten mehr als eine halbe Stunde langsamer als der Bus und immer noch 25 Minuten langsamer als die Schienenalternative Vectus. Von Hahn nach Mainz konnten sich (je nach Umsteigezeit in Wi Hbf) Verbesserungen ergeben, auf der Relation Bad Schwalbach-Limburg eine gegenüber dem Bus um 30 Minuten bessere Verbindung.4Die Angaben beziehen sich alle auf den damals gültigen Fahrplan!.
Planfall 5
Der Planfall 5 umfasste zusätzlich zu den Fällen 3a und 3b folgende Änderungen:
- Beschleunigung der durchgehenden Züge Wiesbaden-Limburg durch Entfall von einzelnen Haltestellen im Abschnitt Wiesbaden – Bad Schwalbach. Durch Überlappung wieder zwei Züge pro Stunde in der Relation Wiesbaden – Bad Schwalbach, allerdings mit unterschiedlichen Haltestellen.
- Stündliche, direkte Verbindung Mainz Hbf – Wiesbaden Dotzheim (-Wiesbaden-Klarenthal).
Station | Express-Linie | Normale Linie | delta |
---|---|---|---|
Bad Schwalbach | 0 | 0 | |
Seitzenhahn | | | 5 | |
Bleidenstadt | 6 | 7 | -1 |
Konrad-Adenauer-Straße | 8 | 9 | -1 |
Hahn (ZOB) | 10 | 11 | -1 |
Eiserne Hand | | | 14 | |
Chausseehaus | | | 22 | |
Wiesbaden-Dotzheim | 21 | 26 | -5 |
Wiesbaden Schiersteiner Straße | 23 | 30 | -7 |
Wiesbaden Landesdenkmal | | | 33 | |
Wiesbaden Hbf | 29 | 36 | -7 |
Fahrzeuge & Infrastruktur
Infrastrukturell ähneln sich die Planfälle 3a und 3b sehr stark. Unterschiede liegen in der Ertüchtigung der Verbindung Landesdenkmal – Wiesbaden Ost (in 3b nicht benötigt) sowie der Anzahl Kreuzungsbahnhöfe (3a: 5, 3b: 6) und den neu zu bauenden/zu überholenden Bahnsteigen (3a: 25, 3b: 26). Die Bahnsteige zu je 90 Meter Länge, das Gleis 11 in Wiesbaden Hbf wird wieder reaktiviert..
Fahrzeug (BR) | vmax (km/h) | Plätze (Gesamt) | minimale Fahrtzeit |
---|---|---|---|
Itino | 160 | 227 | 01:15 |
Regio-Shuttle (VT 650) | 120 | 170 | 01:17 |
LINT 27 (VT 641) | 120 | 162 | 01:18 |
Talent (VT 644) | 120 | 311 | 01:19 |
LINT 41 (VT 648) | 120 | 232 | 01:20 |
GTW2/6 (VT 646) | 120 | 215 | 01:21 |
Kosten
Da die Untersuchung deutlich detaillierter war als die Voruntersuchung zuvor, erlauben die Unterlagen einen tiefen Blick in die Details. Wir starten mit der Zusammenfassung – der Aufstellung der Kosten. Zu den einzelnen Kostenbausteinen sind unten auszugsweise die Berechnungstabellen verlinkt.5Aus mit nicht bekannten Gründen stimmen die Einzel-Summen auf den Detail-Blättern der Kosten nicht mit den Werten in der Zusammenfassung überein. Die Kosten in den Details sind fast durchweg Höher. Die einzelnen Kostenbausteine werden (hoffentlich) in regelmäßigen Abständen angepasst – eine Bewertung von 39.400 EUR pro Jahr pro Personal (brutto inkl. AG-Anteile!) wirkt jedenfalls nicht mehr unbedingt zeitgemäß.
[T€/a] | ÖV-Gesamtkosten (3a) | Standi. (3a) | ÖV-Gesamtkosten (3b) | Standi. (3b) |
---|---|---|---|---|
Infrastrukturkosten # Kapitaldienst # Unterhaltung | 2.570 1.580 | 1.580 | 2.490 1.520 | 1.520 |
Fahrzeugkosten # Kapitaldienst # zeitabh. Unterh. # laufabh. Unterh. | 1.464 366 1.039 | 2.869 | 1.464 366 1.089 | 2.919 |
Energiekosten | 903 | 903 | 946 | 946 |
Personalkosten | 1.281 | 1.281 | 1.281 | 1.281 |
ÖV-Gesamtkosten (ohne Kapitaldienst) | 6.633 | 6.666 | ||
Nutzen (Summe monetär bewerteter Einzelnutzen – Salden*) | 429 | -552 | ||
Kosten (Kapitaldienst ÖV Fahrweg) | 2.570 | 2.490 | ||
NKU-Indikator | 0,17 | -0,22 | ||
*Bewertete Einzelsalden: ÖV-Reisezeiten, ÖV-Gesamtkosten, IV-Betriebskosten, Abgasemissionen, Unfallschäden |
- Ermittlung Personalkosten (NKU, ATB, 2005, Planfall 3a und 3b) [pdf, 147kB]
- Ermittlung Fahrzeugkosten (NKU, ATB, 2005, Planfall 3a und 3b) [pdf, 554kB]
- Ermittlung Stationspreise (NKU, ATB, 2005, Planfall 3a und 3b) [pdf, 335kB]
- Ermittlung Fahrwegkosten (NKU, ATB, 2005, Planfall 3a und 3b) [pdf, 553kB]
- Ermittlung Fahrleistung (NKU, ATB, 2005, Planfall 3a und 3b) [pdf, 546kB]
- Ermittlung Nutzen (NKU, ATB, 2005, Planfall 3a und 3b) [pdf, 518kB]
Den Kosten gegenüber wird der (volkswirtschaftliche) Nutzen gestellt. Die einzelnen Posten setzen sich vor allem aus veränderten Reisezeiten, veränderten MIV-Betriebskosten, Unfallkosten und Emissionen zusammen.
Teilindikator | Einheitswert | Einheit | 3a Nutzen (T€) | 3b Nutzen (T€) | 5 Nutzen (T€) |
---|---|---|---|---|---|
Saldo ÖV-Gesamtkosten o. Kapitaldienst Fahrweg | -1 | -4.736 | -4.769 | -4.813 | |
Kapitaldienst ÖV Fahrweg (Ohnefall) | 1 | ||||
ÖV Reisezeitdifferenz Erw./Schüler | -7 | €/h | 2.164 | 1.407 | 2.466 |
ÖV Reisezeitdifferenz Schüler | -2 | €/h | 29 | 28 | 54 |
Saldo MIV-Betriebskosten | -1 | 1.795 | 1.674 | 2.389 | |
Saldo CO2 | -231 | €/t | 631 | 606 | 773 |
Saldo weitere Emissionen | -1 | -96 | -101 | -45 | |
Saldo Unfallschäden (Tote) | -1.238 | T€/Pers | 140 | 132 | 178 |
Saldo Unfallschäden (Schwerverl.) | -85 | T€/Pers | 162 | 153 | 208 |
Saldo Unfallschäden (Leichtverl.) | -3,8 | T€/Pers | 45 | 44 | 54 |
Saldo Unfallschäden (Sachschaden) | -1 | 295 | 276 | 389 | |
Summe Nutzen – Salden | 429 | -552 | 1.654 | ||
Kapitaldienst ÖV Fahrweg | 2.570 | 2.490 | 2.695 | ||
Differenz | -2.141 | -3.042 | -1.041 | ||
NKU-Faktor | 0,17 | -0,22 | 0,61 |
Durch den zeit kostenden Umweg über den Wiesbadener Hauptbahnhof bei Fahrten von Bad Schwalbach nach Wiesbaden leiden die prognostizierten Fahrgastzahlen und -zeiten in Variante 3b gegenüber 3a. Und das in einem Maße, welches den NKU-Faktor sogar ins negative rutschen lasst.
Variante 5 verfügt über spürbar höheres Fahrgastpotenzial – und infolge höhere Reisezeitgewinne und geringere MIV-Betriebskosten.
Verkehrliche Auswirkungen
Die drei Grafiken zeigen die prognostizierten Fahrgastzahlen pro Tag auf der Aartalbahnstrecke. Während sich die drei Varianten nördlich von Bad Schwalbach kaum unterscheiden (2.660/2.650/2.600 pax/d), sind auf den inner-Wiesbadener Strömen deutliche Unterschiede zu erkennen.
Doch Vorsicht bei der Interpretation: Die Fahrgastzahlen der im Hintergrund liegenden Buslinien unterscheidet sich ebenfalls – ist hier nur nicht dargestellt. Ohne Blick in das komplette Verkehrsmodell sind nicht alle Verlagerungen zu erklären und die Grafiken zeigen ja nur einen Ausschnitt.
Ab hier betrete ich also das Reich der Spekulation.
Der Rückgang an Fahrgastzahlen von Variante 3a auf 5 zwischen Wiesbaden und Mainz lässt sich recht einfach erklären: Die schlechtere Anbindung nach Mainz – die Züge fahren ja nicht mehr ab Bad Schwalbach direkt durch, sondern nur noch ab Klarenthal. Auch nach Wiesbaden Ost kommt man in Fall 5 aus Bad Schwalbach nur noch mit Umsteigen. In der Folge sinkt die Fahrgastzahl dorthin auf in der Prognose um ein Drittel (~1.000P).
Gleichzeitig kommt es aber von Bad Schwalbach nach Wiesbaden zu einer Steigerung an Fahrgastzahlen – es fahren also mehr Menschen mit dem Zug, vermutlich in Folge der kürzeren Fahrtzeit durch die Express-Linie. Durch die Expresslinie würde es auf beispielsweise der starken Relation (Bad Schwalbach/Tauusstein) – Schwalbacher Straße keinen Unterschied mehr machen, ob am Hbf oder am Bahnhof Dotzheim in den Bus umgestiegen wird. (Zuvor war die Dotzheim-Variante schneller). Dadurch ist mit einer Verlagerung Richtung Schiene zu rechnen – Schienenfahrzeuge sind subjektiv komfortabler und werden bei gleichem Angebot eher genutzt als Busse.
Ohne einen Einblick in die Busauslastungen des Modells (und beispielsweise der S-Bahn) sind belastbare Aussagen über die Ursachen der Verlagerungen für mich aber schwierig.
Im Fazit werden die zwei wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung offenbar.
Der Planfall 5 hat aber gezeigt, dass sowohl die Verkürzung der Fahrzeit von Taunusstein nach Wiesbaden wie auch eine schnelle Verbindung zwischen dem Wiesbadener Westen und Mainz im Vergleich zu den Planfällen 3a und 3b zu einer Verbesserung der Verkehrsnachfrage und damit verbunden der Wirtschaftlichkeit führt.
Mit der Wiederinbetriebnahme der Aartalbahn kommt es im aufkommensstarken Abschnitt Wiesbaden – Taunussstein gegenüber dem Ohnefall (= fortgeschriebener lstfall) weiterhin zu Rückverlagerungen weg vom ÖV, was nicht akzeptabel erscheint.
Vergleich zur Voruntersuchung
Während die Voruntersuchung noch von einem NKU-Faktor zwischen 1 und 1,5 sprach, ergab die Detail-NKU ernüchternde Indikatoren zwischen 0,61 und -0,22 (!). Diesen Unterschied gilt es zu erklären.
So stieg der angesetzte Investitionsblock Infrastruktur durch die detailliertere Untersuchung von 41,6 Millionen Euro auf 57 Millionen Euro – beispielsweise durch die zuvor nicht eingepreisten P+R-Parkplätze. Aber auch das konkrete Betriebsmodell, das nun Auswirkungen auf notwendige Zugkreuzungen zuließ, erzeugte höhere Anforderungen an die Infrastruktur.
Die Modellierung des Fahrplanprofils der anspruchsvollen Aartalbahn-Strecke führte zu höheren Anforderungen an Motorisierung der Dieseltriebwagen – mit direkten Folgen des Kaufpreises. Statt der ursprünglich angesetzten GTW2/6-Züge wurde nun mit VT648 (LINT 41) kalkuliert. Statt 1,6 Millionen Euro/Fahrzeug mussten so 2,27 Millionen angesetzt werden. Die Fahrzeugzahl stieg, auch durch Berücksichtigung einer Reserve, von 10 auf 14.
Durch die detailliertere Abbildung der Wechselwirkungen eines ausgedünnten Busnetztes mit der reaktivierten Aartalbahn verfeinerte sich die Fahrgastprognose; je nach Abschnitt führte das zu mehr oder weniger Fahrgästen als in der Ursprungsuntersuchung – unterm Strich aber zu geringerem Nutzen.
Vielen Dank für diesen sehr interessanten, informativen Artikel. Ein wenig ernüchternd sind die Ergebnisse natürlich schon, dennoch für künftige Überlegungen sicherlich sinnvoll.
Ich würde die Daten (auch angesichts des Bevölkerungswachstums) mal so interpretieren, dass das Beste bzw. Wirtschatlichste wirklich ein reines Pendel Mainz-Klarenthal wäre; höchstens bis Bad Schwalbach. Jedenfalls wirkt die Verbindung zum Wiesbadener Hauptbahnhof weniger nützlich, was neben den Nutzen für die weiteren Wiesbadener Stadtteile vermutlich zT an den Anschlüssen liegt.
(Natürlich will man in den aktuelleren Planungen ebendies ignorieren und nur nach Wiesbaden fahren, aber gut, Kommunalpolitik ist wohl eine Sache für sich).
Interessant dürfte in der nächsten NKU (ich meine, da ist noch eine bestellt worden) der Einfluss von Wasserstoff-/oder Akkuzügen sein. Die Emissionswerte scheinen einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Gesamtnutzen zu haben; ebenso aber auch die Fahrzeugkosten.
Über „Fahrgastzahlen Variante 5“ steht übrigens die falsche Grafik. Gibt es außerdem auch Fahrgastzahlen für den nördlichen Bereich (richtung Diez), mal als Vergleich?
Danke für das Feedback! Ich habe das Bild getauscht gegen die korrekte Abbildung von Fall 5 – und für alle drei Fälle den nördlichen Abschnitt ergänzt.
Ja, ein wenig ernüchternd fand ich die Erkenntnisse auch – obgleich ich sie durchaus logisch finde. Jedenfalls muss das für anstehende Untersuchungen berücksichtigt werden – um zu verhindern, dass bei der fünften Untersuchung, weil man fünf mal dasselbe untersucht, das fünfte Mal dasselbe raus kommt. Es darf also nicht zu übergebührenden Verschlechterungen der Innenstadtanbindung kommen. Spannend wäre aber: Wie? Reichen die steigenden Bevölkerungs- und Verkehrszahlen aus, um die Überlandbusse trotz Aartalbahn im Wesentlichen so zu lassen? Oder ist die Verkehrssituation auf der Straße mittlerweile so schlimm, dass mehr Leute (trotz Umsteigen) in den Zug strömen würden? Welchen Einfluss hat das mittlerweile veränderte Preisgefüge?
Nach 2005 sollte es noch weitere NKUs gegeben haben – einerseits für die CityBahn. Allerdings müsste um die 2010er noch für den damaligen, zweiten Stadtbahnanlauf, Untersuchungen gegeben haben. Die liegen mir aber leider nicht vor 🙁