Die folgenden Ausführungen beziehen sich – sofern nicht anders explizit erwähnt – auf die südliche Aartalbahn zwischen Bad Schwalbach und Taunusstein.
Die gute Nachricht vorweg: Die Aartalbahn wird kein zweites Rheintal. Für Transit-Güterzüge im Minutentakt ist die Strecke aus mehreren Gründen (u.a. die Steigung) ungeeignet. Bei Güterverkehr auf der Aartalbahn reden wir also über den Nahverkehrs-Güterzüge, aus wenigen Wagen bestehend, die von Wiesbaden Ost aus Kunden und Ladestraßen entlang der Strecke bedienen – oder eben von Diez aus.
Und ganz unabhängig von der Frage, ob es überhaupt Kunden entlang der Stecke gäbe, für die ein Schienengüterverkehr interessant ist (sicherlich ein interessantes Thema für einen separaten Artikel), nehme ich hier die Voraussetzungen unter die Lupe: Was ist technisch überhaupt möglich?
- Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr
- Steigung der Strecke: Die Grenzlast
- Grenzlasten auf der Aartalbahn
- 310 Tonnen – Was heißt das in Güterwagen?
- [offen]: Kurvenradius und Lichtraumprofil
Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr
Sowie Schienen liegen, ist die Frage in der Regel nicht, ob ein Schienengüterverkehr möglich ist – sondern wie. Aus den Rahmenbedingungen ergeben sich Anforderungen, deren Umsetzung mehr oder weniger Aufwand bedeutet – und damit am Ende darüber entscheidet, ob der Verkehr Sinn macht.
Zu den maßgeblichen Rahmenbedingungen gehören:
- Die Steigung der Strecke. Die Steigung definiert maßgeblich, welche Lokomotiven wie viel Last bewegen können.
- Die Elektrifizierung. Eine Oberleitung erlaubt Elektrolokomotiven, die in der Regel leistungsstärker und günstiger im Betrieb sind. Ohne Oberleitung bleiben nur Diesel-, Hybrid-, oder in Zukunft irgendwann wasserstoffbetriebene Lokomotiven übrig. Reine Akkulokomotiven existieren, sind aber für Überführungen über weitere Strecken in der Regel ungeeignet.
- Der Kurvenradius. Der Kurvenradius beeinträchtigt nicht nur die mögliche Höchstgeschwindigkeit auf der Strecke, sondern kann auch die einsetzbaren Fahrzeuge einschränken. Länger werdende Fahrzeuge vertragen sich nicht zwangsweise mit engen Kurven.
- Die Anzahl Gleise und die Verfügbarkeit von Überhol-/Kreuzungsgleisen. Besonders bei eingleisige Strecken bestimmt Lage, Anzahl und Länge von Überholgleisen die Leistungsfähigkeit der Strecke. Ist mehr als ein Zug unterwegs – vielleicht sogar in verschiedene Richtungen – werden diese zu den entscheidenden Punkten.
- Die Streckenklasse der Aartalbahnstrecke. Bahnstrecken sind über ihre Streckenklasse in verschiedene Kategorien eingestuft, über die die maximal zulässige Last pro Achse und pro Meter definiert werden. Die Klassifizierung hat Auswirkungen auf den notwendigen Unterbau und beispielsweise Brücken. Die Skala in Deutschland reicht von Klasse A (16to pro Radsatz bzw. 5 to pro Meter) bis D4 (22,5 to pro Radsatz bzw. 8,0to/Meter). Falls die sanierte Aartalbahnstrecke in eine vergleichsweise niedrige Streckenklasse fällt, lässt sich dies aber umgehen, indem die Wagen einfach weniger voll beladen werden.
Steigung der Strecke: Die Grenzlast
Für einen Güterverkehr hat die Aartalbahnstrecke – sofern man sich von Wiesbaden aus nähert – einen wesentlichen Haken: die Steigung. Denn mit einer maßgeblichen Steigung von 33‰ gehört sie zu den Steilstrecken und ist eine der steilsten in Deutschland.
Die Ausführungen konzentrieren sich auf die Steigungen zur Eisernen Hand – dem steilsten Abschnitt der Aartalbahnstrecke.
Für den Personenverkehr hat das weniger Auswirkungen – denn die Züge sind deutlich leichter und oft sind viele bis alle Achsen angetrieben. Im Güterverkehr aber kommt die Antriebsleistung ausschließlich von der Lokomotive. Das heißt konkret: Die Kraft, die es zum Beschleunigen des Zuges braucht, müssen die Motoren der Lok allein über die drei bis sechs Achsen der Lokomotive aufbringen. Auch nach Anhalten auf dem steilsten Abschnitt muss die Lok den Zug beschleunigen können.
Daher bestimmt die Steigung einer Strecke – in Abhängigkeit von der konkreten Lokbaureihe – die maximal zulässige Last des Zuges (Grenzlast). Zumindest bergauf – bergab ist die Frage eine andere, da Güterwagen zwar nicht beschleunigen, aber bremsen können.
Deswegen unterscheidet sich die Grenzlast einer Strecke meist in Abhängigkeit von der Fahrtrichtung. Für Güterzüge über die Eiserne Hand hat das allerdings keine Auswirkungen – denn die maßgebliche Neigung von 33‰ tritt in beide Richtungen auf.
Grenzlasten auf der Aartalbahn
Die geltenden Grenzlasten auf der Aartalbahn sind schwerlich zu erhalten – besonders für aktuelle Lokbaureihen. Die Strecke ist außer Betrieb und die Grenzlasten werden – wenn überhaupt – nur für betriebene Strecken veröffentlicht. Für die Aartalbahn selbst liegen mir daher keine Informationen vor.
Aber: Da die Grenzlast direkt steigungsabhängig ist, sind die Werte weitestgehend identisch mit anderen Strecken – solange diese dieselbe Steigung aufweisen. Und so orientieren wir uns an der Steilrampe Erkrath-Hochdahl zwischen Düsseldorf und Wuppertal – mit einer identischen, maßgeblichen Neigung von 33,3‰. Deren Infrastrukturbetreiber DB Netz stellt die Grenzlasten seiner öffentlich zur Verfügung.
Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Lokomotiven mit V-Motor.
Selbst die stärkste, derzeit auf DB-Netz zugelassene Lokomotive mit Verbrennungsmotor 1(Hybrid Stadler Eurodual, BR159, 123to, sechs Achsen) schafft bei der Steigung an der Eisernen Hand maximal 1.130 Tonnen. Das ist deutlich weniger Last, als der durchschnittliche Güterzug im Rheintal mitführt. Dass also Güterzüge bei einer Störung im Rheintal ohne weiteres über eine reaktivierte Aartalbahn umgeleitet werden, steht folglich nicht zu befürchten.2Man soll ja niemals nie sagen – – vor allem nicht mit Blick nach Rastatt. Aber die Voraussetzungen für normale Güterzüge sind denkbar schlecht: Der Zug müsste dann von E- auf V-Triebfahrzeug umgespannt und entweder geteilt oder mit mehreren Lokomotiven befördert. Die Strecke ist weitestgehend eingleisig und erlaubt damit keine Kreuzungen von Güterzügen.
Die Grenzlast lässt sich erhöhen, in dem mehrere Lokomotiven pro Zug eingesetzt werden – sei es in Form von Doppel- oder Mehrfachtraktionen (an der Spitze des Zuges) oder als Schubdienst (mit zusätzlicher Lokomotive am Ende des Zuges).
Die Zulassung der Lok für eine bestimmte Last trifft übrigens noch keine Aussage über die Geschwindigkeit, die sie damit erreicht.
310 Tonnen – Was heißt das in Güterwagen?
310 Tonnen – soviel kann eine Gravita 10BB über die Eiserne Hand ziehen. Die größeren Gravitas immerhin 500 bzw. 570 Tonnen – doch was heißt das eigentlich in Güterwagen?
In den Grenzlasten ist grundsätzlich das Eigengewicht der nicht immer leichten Güterwagen enthalten. Denn auch leer wiegen die eine ganze Menge. Wie viel Güterwagen leer wiegen und wie viele die (in Abhängigkeit der Streckenklasse, siehe oben) zuladen dürfen, hängt von der zu befördernden Gutart ab. Zur Veranschaulichung einige, konkrete Beispiele
Konkretes Beispiel: Holzverkehre. Während ein großer des im Taunus geschlagenen Holzes per LKW seinen Weg nach Wiesbaden Ost findet und dort auf die Bahn verladen wird – wieso nicht direkt im Taunus verladen?
Eine Reihe Güterwagen eignen sich zum Transport von Rohholz. Zwei prominente Beispiele: Der Ealos-t 058 fasst maximal 54,5 Tonnen Holz, ein Roos-t 645 ähnliche 55,5 Tonnen.
Beispiel: Kalk. Als Baustoff begehrt, in Hahnstätten und bei Dyckerhoff direkt an der ATB gelegen nicht die unwahrscheinlichste Gutart. Die für nässeempfingliche Staubgüter konzipierten Wagen der Gattung Tals 966 fassen maximal 52 Tonnen Zuladung, modernere Staubgutwagen wie der Uacs 9319 immerhin 59,1 Tonnen.
Zum Vergleich: Ein klassischer 40-Tonner-LKW fasst im Schnitt 27 Tonnen Zuladung. Über den Daumen geschossen ersetzt ein Güterwagen also zwei LKWs – zumindest solange wir nicht über Containertransporte sprechen.
Die Aartalbahn ist keine Steilstrecke im Sinn des Eisenbahnbetriebs. Nebenstrecken zählen ab erst ab 40 ‰ zu den Steilstrecken. Dafür sind dann gesonderte Steilstreckvorschriften notwendig. Die Tfz müssen darüber hinaus steilstreckentauglich sein. So, wie die BR 213 oder 218.