Am 16. März war es soweit – die letzten Stimmzettel sind gezählt. Und obwohl die formelle, amtliche Anerkennung noch fehlt, wagen wir einen Blick in die Ergebnisse. Die aufgestellten Bewerber-Listen hatten wir schon zuvor analysiert – doch wer wurde am Ende auch gewählt?
Edit: Das Wahlamt der Stadt Wiesbaden hat mit seiner ausführlichen Wahlanalyse einige der hier geplanten Auswertungen obsolet gemacht. Hier findet ihr die ausführliche Analyse der Stadt: (Link)
- Stadtverordnetenversammlung
- Wahlbeteiligung nach Stadtteil (inkl. Briefwahl)
- Heimatstadtteile der Stadtverordneten
- Altersstruktur
- Frauenquote
- Kumulieren und Panaschieren
- Anteil Listenstimmen
- Bewegungen auf den Listen
- Größte Gewinner und Verlierer
- Gewinner und Verlierer nach Geschlecht
- Sonstiges
- Abstimmungsverhalten: Brief vs. Urne
Stadtverordnetenversammlung
Wahlbeteiligung nach Stadtteil (inkl. Briefwahl)
Die Wahlbeteiligung ergibt sich als Summe der Urnengänger und der Briefwähler. Da die Briefahlbezirke meistens mehrere normale Wahlbezirke umfassen, lässt sich die Beteiligung auf Wahlbezirksebene nicht ermitteln. Daher erfolgt hier die Zusammenfassung nach Stadtteilen.
Die mit Abstand größte Wahlbeteiligung legten die Einwohner von Wiesbaden-Heßloch an den Tag: knapp 70%, die niedrigste mit knapp 28% in Mainz-Amöneburg. Beide Stadtteile fallen mit ihren knapp 560 bzw. 1.063 Wahlberechtigten allerdings kaum ins Gewicht – in Wiesbaden waren insgesamt knapp 210.000 Wähler*Innen an die Urne gerufen.
Heimatstadtteile der Stadtverordneten
Woher kommen die Stadtverordneten? Wieviele Kandidaten kommen aus welchem Ortsteil und wieviele Einwohner repräsentieren die jeweiligen Stadtverordneten dann? Bereits die Wahlvorschlagslisten zeigten ein paar Unwuchten bei den Wohn-Ortsbezirken der Kandidaten. Aber hat sich diese Ungleichverteilung auch auf die gewählte Stadtverordnetenversammlung übertragen?
Fünf Stadtteil gehen leer aus: Erbenheim, Frauenstein, Heßloch, Amöneburg und Naurod stellen jeweils keinen Stadtverordneten. Die Innenstadt-Stadtteile sind tendenziell überrepräsentiert (also stellen prozentual mehr Stadtverordnete als Einwohner). AKK insgesamt ist – trotz eines stark vertretenen AKK – eher unterrepräsentiert. Auch Biebrich, Dotzheim und Klarenthal stellen prozentual mehr Einwohner also Stadtverordnete.
Altersstruktur
Die Stadtverordnetenversammlung wurde nicht nur jünger, sie wurde auch weiblicher. Gegenüber 2016 ist das Durchschnittsalter der gewählten Vertreter um knapp zwei Jahre gesunken und liegt nun bei knapp über 49 Jahren. Das liegt auch unterhalb des Altersschnittes aller aufgestellten Kandidaten. Das liegt unter anderem daran, dass sich die jüngeren Listen (PARTEI, VOLT, BIG) über Zuwächse freuen konnten – aber auch daran, dass ältere Kandidat*Innen meist weiter hinten auf den Listen standen.
Fünf neue Stadtverordnete sind jünger als 25 Jahre: Zwei Mal von der SPD und jeweils ein Mal von der PARTEI, BIG und den Grünen.
Frauenquote
Die Stadtverordnetenversammlung wurde nicht nur jünger – sondern auch weiblicher. Wurden 2016 noch 31 Frauen in die Gemeindevertretung gewählt, waren es 2021 bereits 37. Das liegt auch darin begründet, dass Kandidatinnen deutlich häufiger kumuliert wurden als ihre männlichen Mitstreiter – so besteht die Fraktion der Grünen aus zehn Frauen, aber nur sieben Männern – trotz paritätischer Besetzung der Vorschlagsliste. Doch dazu weiter unten mehr.
Kumulieren und Panaschieren
Das Kumulieren und Panaschieren erlaubt es den Wählern, die Reihenfolge innerhalb von Parteilisten zu beeinflussen. Besonders beliebte Kandidaten, die häufig kumuliert werden (also bis zu drei Einzelstimmen vom Wähler bekommen), steigen auf – andere ab. Das lässt spannende Beobachtungen zu.
Anteil Listenstimmen
Der Vergleich des Trendwahlergebnisses (also den reinen Listenstimmen) mit den Endwahlergebnissen lässt schon ein Mal erahnen, welche Partei-Anhänger die Kumulier- und Panaschiermöglichkeiten besonders oft genutzt haben. Ob das Kumulieren und Panaschieren nur innerhalb einer Liste stattfand oder parteiübergreifend, lässt sich allerdings nicht rekonstruieren.
Die meisten Parteien beziehen rund 60% ihrer Stimmen aus Listenstimmen, entsprechend 40% aus kumulierten & panaschierten Wahlzetteln. Davon gibt es vier Ausreißer.
Die AfD bezieht als einzige Partei fast drei Viertel ihrer Stimmen aus Listenkreuzen und ist damit der einzige Ausreißer nach oben. Mögliche Ursache könnte hier sein, dass die AfD nirgendwo auf Ebene der Ortsbeiräte antrat – das durchaus verbreitete Phänomen, dass Wähler aus den Stadtteilen Ihre bekannten Lokalpolitiker ins Rathaus pushen, spielt hier also keine Rolle.
Drei Ausreißer nach unten bilden die ULW, das BIG und die PARTEI. Bei der PARTEI fällt die Erklärung einfach: Wie bereits vor der Wahl dargelegt, hat die Liste der PARTEI eigentlich zu wenige Kandidat*Innen. Mit nur elf Bewerbern kassiert die Partei bei einem Listenkreuz nur 33 der 81 möglichen Stimmen – der Rest verfällt. Das dürften viele Wähler gewusst haben, die ihre weiteren Kreuze dann anderswo verteilt haben. Bei der ULW gab es hingegen deutliche Kumulierungs-Tendenzen zugunsten der Listen-Dritten.
Bewegungen auf den Listen
Größte Gewinner und Verlierer
Gewinner und Verlierer nach Geschlecht
Durch Kumulieren und Panaschieren können die WählerInnen auch Einfluss über die Reihenfolge innerhalb der Kandidatenlisten der Parteien nehmen. Beliebte und Bekannte Personen abseits der eigenen Partei können so hochgewählt werden; auch die Reihenfolge innerhalb der Liste der persönlich präferierten Partei kann so noch beeinflusst werden.
Anekdotischer Ausflug: Ich selbst war beim Auszählen der Stimmen als Wahlhelfer dabei – ein Briefwahlbezirk aus Nordenstadt. Dabei fielen mir einige Stimmzettel in die Hand, die ein sehr auffälliges Kumulier-Muster aufwiesen: Auf den Listen der Linken und/oder der Grünen wurde jeder zweiten Zeile volle drei Kreuzchen dagelassen. Beide Listen waren paritätisch besetzt – hier haben also gezielt Wähler nach Geschlecht kumuliert. Abseits des anekdotischen stellt sich also die Frage: Gilt das in ganz Wiesbaden? Gibt es Parteien, bei denen auffällig viele Frauen oder Männer kumuliert wurden, also Plätze nach oben rückten?
Die Antwort lautet: Ja. Als ausgehend von der Annahme, dass sich Beliebtheit und Kompetenz der Frauen einer Liste nicht strukturell von den Männern dieser Liste unterscheidet, fällt auf: Frauen wurden in vielen Parteien besonders oft kumuliert. Von den 27 Frauen, die auf der Liste der Grünen standen, wurden 25 nach oben kumuliert. Die anderen beiden – Listenplatz 1 (Christiane Hinninger) und Platz 27 (Käthe Springer) verteidigten ihren Platz. Gleichzeitig hat hier aber nur ein einziger Mann durch das Kumulieren Plätze gut gemacht.
Spannend, da ist ja jemand sehr zahlenaffin. Frage, was ist denn Nordost für ein Vorort? Bin übrigens auch ehemals aus Berlin zugezogen, allerdings schon 1996… kennste denn schon meinen City-Guide „Glücksorte in Wiesbaden“?
uh, hab ich Nordost irgendwo als Vorort bezeichnet? :O Der gehört natürlich zur Kernstadt.
Neee, den kenne ich noch nicht. Aber ich schau mal rein 🙂