Am 20. Mai tagt – zum ersten Mal nach der konstituierenden Sitzung im vergangenen Monat – die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung. Neben einem Blumenstrauß an Anträgen, die sich bereits seit mehreren Monaten durchschieben (einige davon bereits obsolet), finden sich zwei Anträge auf der Tagesordnung, die einen genaueren Blick wert sind: Einer zur Aartalbahn, ein zweiter zum Pilotprojekt „Tempo 40 in der Innenstadt“.

Direkt davor tagt zusätzlich der Mobilitätsausschuss mit einer Sondersitzung. Das einzige Thema hier: Der geplante Umbau der Ländchesbahn im Bereich Erbenheim. Dur Thematik Erbenheim verweise ich auf diesen ausführlichen Artikel.

AntragTitelFraktion(en)
21-F-63-0002Tempo runter für weniger Lärm, mehr Sicherheit und bessere LuftGrüne, SPD, Linke, VOLT
21-F-16-0001Reaktivierung der AartalbahnBLW/ULW/BIG

Reaktivierung der Aartalbahn

Die Aartalbahn – ein verkehrspolitischer Dauerbrenner in diversen Gremien. Auch dieses Mal als Antrag dabei, gestellt von der dreiköpfigen Dreiparteienfraktion BIG/BLW/ULW, getrieben vom ULW-Vertreter Veit Wilhelmy – der die Aartalbahn auch in vergangenen Sitzungen von beispielsweise Ortsbeiratssitzungen wiederholt aufs Tableau brachte.

Der Antrag besticht durch seine Einfachheit – daher ein Vollzitat:

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Die Landeshauptstadt Wiesbaden spricht sich grundsätzlich für die Reaktivierung der Aartalbahn aus.

Antrag (11. Mai 2021)

So kurz, so simpel, so symbolträchtig. Eigentlich dürfte hier kein Diskussionsbedarf auftreten – die Aartalbahn stand schließlich in fast jedem Wahlprogramm. Spannend wird -wenn überhaupt – die angekündigte, mündliche Begründung oder wie auch immer geartete, kurzfristig eingebrachte Änderungs-/Ergänzungsanträge.

Pilotprojekt Tempo 30/40

Die Grünen, die SPD, die LINKE und VOLT beantragen unter dem Titel „Tempo runter für weniger Lärm, mehr Sicherheit und bessere Luft“ ein Pilotprojekt zur Erprobung von Tempo 40 auf einigen, innerstädtischen Hauptstraße. (Volt-)Typisch bringt der Antragstext auch drei Positivbeispiele aus anderen Städten: Mainz, Frankfurt, Helsinki.

Straßenabschnitte, auf denen Tempo 40 erprobt werden soll.

Über eine Laufzeit von 18 Monaten sollen so Erfahrungen gesammelt werden: Wie verändern sich Schadstoffe, Lärm, Verkehrsfluss, Unfallgeschehen? Es folgt eine wissenschaftliche Evaluierung und die Entscheidung, ob oder ob nicht Tempo 40 fortgeführt wird.

Das Projekt wird jeweils ab dem Start über 1,5 Jahre fachlich begleitet und dann ergebnisoffen evaluiert. Die Maßnahmen verlängern sich automatisch, wenn kein anderslautender Beschluss getroffen wird. (…) Über den Fortgang des Projekts wird vierteljährlich dem Ausschuss für Mobilität berichtet.

21-F-63-0002, 11. Mai 2021

Eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit wirkt sich positiv auf Unfallgeschehen und Lärmemissionen aus. Es kann sich darüber hinaus auch positiv auf das Emissionslevel auswirken. Auch der Verkehrsfluss insgesamt kann sich dadurch verbessern – auch wenn dies erst einmal kontraintuitiv erscheint.

Auf innerstädtischen Hauptstraßen liegt die tatsächliche Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 20 und 30 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit wird nur selten erreicht – dafür sorgt eine Vielzahl an Kreuzungspunkten, an anderen Autos, langsamere Verkehrsteilnehmer (zB Busse) und eine Vielzahl weiterer Störfaktoren (Abbieger, Ein-/Ausparker, …).

So führten Testfahrten mit Tempo 30 und 40 unter realen Verkehrsbedingungen auf ebenen Hauptverkehrsstraßen in Stuttgart nicht zu einer Minderung der motorbedingten Emissionen im Vergleich zu Tempo 50.

Andererseits kann Tempo 30 oder Tempo 40 insbesondere an Steigungen, aber auch auf ebenen Strecken bei bisher gestörtem Verkehrsfluss (niedriger Konstantfahrtanteil) zu einem gleichmäßigeren Geschwindigkeitsverlauf und damit zu geringeren Stickstoffoxid-Emissionen im Vergleich zu Tempo 50 führen. 

aus: Tempolimits von 30 oder 40 km/h verbessern nicht zwangsläufig die Luftqualität. Landesanstalt für Umwelt, Baden-Württemberg.

Trotz positiver Erfahrungen in anderen Städten ist „Tempo runter = bessere Luft“ allerdings kein Automatismus. Denn der Schlüssel zur Emissionsminderung ist die Verstetigung des Verkehrsflusses. Brems- und Beschleunigungsvorgänge müssen reduziert werden – dann sinken Lärm und Abgase. Diese Verstetigung kann durch eine niedrigere Höchstgeschwindigkeit erreicht werden – allerdings auch flankiert von weiteren Maßnahmen zur Erhöhung des Verkehrsflusses. Umso wichtiger ist eine kritische Begleitung des Versuchs – inklusive Lärm- und Emissionsmessung.

Weiterlesen:


mathias

Aufgewachsen in Berlin, seit über einem Jahrzehnt Wahl-Wiesbadener. Eigentlich Nordost, im Herzen aber Westend. Regelmäßiger Radler und Carsharing-Nutzer, (zu häufig) auch E-Scooter. Ehem. Verkehrsplaner (SGV). Faible für Daten, Karten und Grafiken.

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