Die Wiesbadener Bahnsteige entlang der Rheinschiene und der Ländchesbahn viel zu niedrig, um barrierefreies Reisen zu ermöglichen. An drei Haltepunkten soll sich nun ändern. Dass Kastel, Ost und Hauptbahnhof mit 76 Zentimetern bereits über hohe Bahnsteige verfügen, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bahnsteige in Kastel und Ost nicht barrierefrei erreichbar sind. Auch haben die verkehrenden S-Bahnen eine Einstiegshöhe von knapp über 100 Zentimetern – immer noch ein beachtlicher Höhenunterschied zwischen Zug und Bahnsteig. Reine S-Bahnhöfe werden daher in der Regel auf 96 Zentimeter angehoben. Zuweilen finden sich in größeren Bahnhöfen daher auch Bahnsteige mit unterschiedlichen Höhen, um sowohl S-Bahnen, als auch Regional- und Fernzügen barrierefreie Einstiege zu ermöglichen.
Aber zurück zur Ländchesbahn: Im Jahr 2022 sollen die drei Haltepunkte der Ländchesbahn in einem Rutsch barrierefrei umgebaut werden. Die Strecke wird dafür im Sommer für mehrere Monate voll gesperrt - so der Plan. Während in Auringen nur der Bahnsteig angehoben wird, geht die Umgestaltung in Igstadt und Erbenheim mit größeren Änderungen und entsprechenden Planfeststellungsverfahren einher. (Siehe hier: PFV Igstadt, PFV Erbenheim).
Der Bahnhof Igstadt bekommt dabei einen Mittelbahnsteig, der (im Gegensatz zu heute) für beide Fahrtrichtungen nutzbar ist - und einen zweiten Zugang in Richtung Ortskern. In Erbenheim wechselt der Bahnsteig die Gleisseite und rückt näher an die Berliner Straße (mit langfristig negativen Folgen - wir berichteten). Allen drei Baumaßnahmen ist gemein: Die Bahnsteige werden allesamt auf 76 Zentimeter angehoben.
Bahnsteige der Ländchesbahn
Die heutigen Bahnsteige der Ländchesbahn sind zwischen 20 und 32 Zentimeter hoch - das ist derart niedrig, dass sie heute (mit Ausnahme von Straßenbahn-Strecken) gar nicht mehr gebaut werden dürften. Die derzeit auf der Ländchesbahn verkehrenden Desiro-Classic-Züge der HLB haben eine Einstiegshöhe von knapp 58 Zentimetern. Ein Höhenunterschied von 38 bzw. 26 Zentimetern ist mit Blick auf die Barrierefreiheit ein Alptraum.
Allerdings bliebe es dabei nicht. Denn der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) hat die Strecke 2021 neu ausgeschrieben - unter der Auflage, dass der Gewinner die Leistungen der Ländchesbahn mit zehn Dieseltriebzügen erbringt, die die RMV-Tochter fahma GmbH bereitstellt. Es handelt sich dabei um die zehn Triebwagen des Typs "Corodia Lint 41/H", die derzeit auf der Taunusbahn unterwegs sind und dort zum Fahrplanwechsel durch neue Wasserstoffzüge iLint ersetzt werden sollen. Der Zusatz "H" steht für Hochflur - die Einstiegshöhe liegt bei den Zügen mit 78 Zentimetern rund 20 Zentimeter höher als bei den heute eingesetzten Triebwagen.
Der Zuschlag zum Betrieb ging - erneut - an die Hessische Landesbahn, die die RB 21 (Ländchesbahn) auch die nächsten zehn Jahre betreiben wird. Die drei erwähnten Bahnhofsumbauten dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch zwischen Niedernhausen und Limburg nicht alle Bahnsteige ausreichend hoch sind. Denn die Ausschreibung des RMV fordert eine zusätzliche Durchbindung von Zügen bis Limburg.
Auch an den Haltepunkten Idstein, Bad Camberg, Oberbrechen und Lindenholzhausen stoppen die Züge heute an Bahnsteigen, die mit 24 bis 38 Zentimetern viel zu niedrig sind. Das Problem lässt sich in Idstein und Bad Camberg noch durch einen Gleiswechsel lösen (in Bad Camberg allerdings aufs Gegengleis). In Oberbrechen, wo zumindest ein Bahnsteig die geforderte Höhe von 76 Zentimetern hat, fehlen dafür allerdings die Weichen. Lindenholzhausen verfügt über keine ausreichend hohen Bahnsteige. Umbaupläne für diese Bahnhöfe sind uns indes nicht bekannt.
Bahnsteighöhen in Deutschland
[tbd]
Quellen
- Bahnsteighöhenkonzept der DB
- Bahnsteighöhen (Kartendarstellung sowie Rohdaten im DB Open Data Portal).
- Darstellung der Stationsausstattung bei DB StuS (Erbenheim, Igstadt, Auringen)
- EBO §13 - Bahnsteige, Rampen
- Posse um Bahnsteighöhe: Warum viele Bahnhöfe umgebaut werden sollen (in: plusminus, 18. Oktober 2017)